In unmittelbarer Ferne.

Nun ist es ja eigentlich so, dass es mir gut gehen sollte. & egtl tat es das auch. & dann kam irgendwie der morgen. & es geht mir schlecht. Ich bin traurig, möchte am liebsten die ganze Zeit heulen & kann das Ganze nicht nachvollziehen.

Ich kann nur Vermutungen anstellen. Diese ganze Zukunftssache macht mir unglaublich Angst.
Natürlich ist es gut, dass es sich weiter Richtung normales Leben entwickelt. & ich freue mich auch drüber, wirklich. Ich bin stolz auf mich, ein paar Sachen gebacken zu bekommen. & ich bin stolz froh, dass ich es wage. Aber dadurch, dass das alles  das „Prädikat Zukunft“ trägt, fühle ich mich gezwungen, genau darüber nachzudenken. Über die Zukunft. & das macht mir unglaublich Angst. & das ist in meinem Kopf paradoxes Zeug. Wabernder Nebel mit gleichzeitig festgelegten Ereignissen.

Momentan fühle ich mich permanent vom Tod umgeben. Nicht meinem eigenen, wobei auch der ab & zu dabei ist, aber… Ich musste irgendwann erkennen (& das ist schon einige Zeit her, ich habe dem aber keine große Bedeutung beschenkt), dass es wahnsinnig schwer ist, mit jemandem zusammen zu leben, der sich praktisch selbst zu Grunde richtet. & nichts anderes ist es in meinen Augen. Vergleichbar mit einer Ko-Abhängigkeit bei Suchtkranken. Man richtet sich selbst zu Grunde, weil man einfach nichts bewegen kann.

So sehr ich manchmal auch über meinen Vater herziehe & sein Denken & seine Taten nicht nachvollziehen kann, so ist es doch nun mal so, dass ich ihn lieb habe. Das gebe ich sehr ungern zu. Im Gegenzug würde er mir es nicht sagen. Er beschränkt sich in seinen seltenen Ausführungen dazu auf das Wort mögen. Ich wiederum mag ein Schnitzel mit Pommes gerne.

Wenn ich das Ganze nun aus einem anderen, neutralen Blickwinkel betrachte, ist es wohl aber so, dass er mich schon vor Jahren hätte rausschmeißen können. Denn ich habe schon arg viel Bockmist verzapft. & auch wenn ich das damit rechtfertigen kann, dass ich krank bin & es eben nicht besser wusste, ist es doch so, dass alles ganz anders hätte verlaufen können. Er mag es vllt nicht verstehen, aber er toleriert es zumindest. So entstand dann wohl auch mit den Jahren diese Hassliebe.

& dann kam das eine Leiden & dann das nächste & das ging dann solang weiter, bis wir auf dem heutigen Stand sind. & dann, vor Monaten schon, schaltete sich immer öfter mal Gedanken hinzu, sobald er einen sehr langen Mittagsschlaf hatte. & ich schaute vorsichtshalber einfach mal nach, ob er noch atmet.
Jetzt kann man natürlich sagen, dass ich außerordentlich bescheuert bin. Was ich allerdings meines Erachtens damit begründen kann, dass er es auch schaffte, einen Herzinfarkt zu haben, ohne es selbst zu merken (& es glücklicherweise passierte, als er eh schon im Krankenhaus war).

So achtsam er ist, so gewillt ist er auch, an seiner Krankheitssituation etwas zu ändern. & ich rede jetzt nicht von den Sachen, an denen er nichts ändern kann.
Ich weiß, dass ich sicher die Letzte sein sollte, die darüber ihr Maul weit aufreißen sollte. Jedoch ist es nun mal so, dass mein Leben davon abhing. Zumindest nicht in dem Sinne. Ich wäre die Ausführende gewesen.

Nun ist es aber so, dass er immer mehr zu seinem Zustand beiträgt. Das man bei lebensbedrohlichen Lungenkrankheiten nicht rauchen sollte, ist ja weithin bekannt. Das ihn das trotz allem nicht davon abhält, minimum zwei Big Packs pro Tag zu rauchen, verstehe selbst ich als Raucher nicht. Das er keinen Alkohol trinken darf, scheint ebenso wenig beeindruckend.

Vor wenigen Wochen ist die Freundin meines Onkels gestorben. Sie legte einen wirklich beeindruckenden Alkoholkonsum an den Tag, wurde leberkrank & starb letztendlich daran.
Meine Gedanken wurden dadurch überraschenderweise nicht besser.

Meist kann ich sie irgendwie wegdrängen. Sie als unwahrscheinlich abtun. Obwohl ich mich täglich damit konfrontiert sehe. Denn sie sind nicht unwahrscheinlich. Keineswegs. Stattdessen muss ich zusehen & kann nichts daran ändern.

Ich glaube nicht wirklich daran, dass er an meinem 30. Geburtstag noch da sein wird. Das mag makaber klingen, darüber nachzudenken. Aber es sind Gedanken, die sich irgendwann unvermeidlich aufdrängen. & sie machen mich unendlich traurig. & dann wünschte ich mir, dass wir doch nur noch einmal streiten könnten.

& dann war da noch der Traum mit dem explodierten Atomkraftwerk, dass uns immer weiter verseuchte & mir mit der Zeit ohnmächtig wurden & irgendwelche großen Sachen gesagt wurden, bevor wir starben.

~ von Miss Ann Thropy - 11. März 2012.

&, noch was zu sagen?